“Lassen Sie mich durch, ich bin Coach!” — So hätten es einige wohl gerne. Coach ist kein geschützter Begriff, was bedeutet, dass sich eigentlich jeder so nennen darf. Was heißt eigentlich — es darf sich jeder so nennen. Also, wenn du Bock hast, kannst du ab morgen auch Life Coach sein!
Ihr seht schon, wo dann das Problem liegt. Wie sollen jetzt meine Kunden wissen, ob sie bei mir eine qualitativ gute Leistung erhalten? Es gibt ein paar Sachen, auf die ihr achten könnt, wenn ihr einen Coach aussucht.
Er/Sie kann ALLES und ES GIBT KEINE PROBLEME
Ähm, doch, gibt es. Als Coach ist es teil meines Berufsverständnisses, dass ich auch meine eigenen Grenzen kenne und respektiere. Wenn du eine diagnostizierte psychische Krankheit hast (und JA, auch Depressionen gehören dazu!), dann kann ich als Coach die nicht heilen. Das gehört in die Hände eines Psychologen oder Psychiaters. Ein guter Coach gibt auch kein Versprechen, dich aus deiner Armut herauszuholen — I mean, wie soll das klappen? Wenn es da ein Patentrezept wäre, dann wäre ja niemand mehr arm.
Woran arbeite ich als Coach mit dir in einem solchen Fall? Nun, wir können gemeinsam über deine Selbstakzeptanz sprechen, oder darüber, wie du das Thema bei deinem neuen Partner, deiner Schwiegermutter oder einer neuen Vorgesetzten ansprechen kannst. Dies sind Bereiche, bei denen deine emotionale Selbststeuerfähigkeit gegeben ist — und das ist ein wunderbares Thema fürs Coaching.
DU MACHST ES NUR NICHT RICHTIG, SONST WÄRST DU REICH/BERÜHMT/GLÜCKLICH
Es ist immer einfach, dir die Schuld zuzuschieben und erstmal ein bisschen Shaming zu betreiben. Warum einfach? Weil es wirkt. Wenn es dir schlecht geht, und eine vermeintliche Fachperson dann sagt, dass es an dir liegt, dann wirst du das wahrscheinlich glauben. Dann geht es dir noch schlechter und, oh Wunder! Genau dieselbe Fachperson hat DIE Lösung für dich, wie du den Schlamassel beseitigen kannst. Du musst nur diesen Workshop für eine horrende Geldsumme kaufen! Problem gelöst.
Versteh mich nicht falsch — Coaching hat wirklich viel mit deiner eigenen Einstellung zu tun. Es geht häufig darum, deinen Standpunkt zu ändern, und damit die Gegebenheiten leichter zu machen. Das ist auch logisch, denn große Teile deiner Probleme hast du wahrscheinlich nicht in der Hand. Dass deine Firma diesen neuen Mitarbeiter eingestellt hat? Nicht deine Wahl, aber du musst jetzt mit ihm zusammenarbeiten. Dass du unverschuldet einen Unfall hattest und seitdem ein Hobby nicht mehr ausüben kannst? Richtig mies und ungerecht, und nicht deine eigene Entscheidung. Coaching ist dann für dich richtig, wenn du etwas an deiner Situation ändern willst. Der Wille ist hier entscheidend! Gleichzeitig gibt es bestimmte Dinge, die einfach echt scheiße sind und es auch immer bleiben werden, und ein guter Coach sollte das anerkennen.
WENN DU DIESEN ONLINEKURS BUCHST, WIRST DU AUF JEDEN FALL DEINE PROBLEME LOS
Sowas halte ich auch für echt zwielichtig. Es sollte beim Coaching (und auch ehrlich gesagt nirgendwo anders) kein Heilungsversprechen geben. Nichts wird dich zwingend gesund machen, auch wenn es eine gute Chance gibt, dass deine Probleme danach kleiner oder ganz vom Tisch sind. Diesen One-Size-Fits-All-Ansatz finde ich persönlich aber auch etwas schwierig, und da ist es mir egal, ob es um ’ne Jeans geht oder um ein Coaching. Es ist immer wichtig, dass Klientin und Coach zueinanderpassen. Das betrifft thematische, aber auch methodische Themen. Nur in einem absolut vertrauten und offenen Gespräch können auch schwierige Themen bearbeitet werden. Durch das Buchen eines Kurses hast du erstmal nur Geld investiert — ob dir das hilft, hängt auch von der Begleitung ab, von deiner eigenen Einstellung und vom Inhalt des Kurses.
COACH IST MEINE BERUFUNG, WEIL ICH DASSELBE DURCHGEMACHT HABE WIE DU
Nö. Stopp. No-Go! Ein guter Coach kennt den Unterschied zwischen Beratung und Coaching. Jemand, deren einzige Qualifikation es ist, dass sie dasselbe durchgemacht hat wie du, ist auch jemand, die dann aus eigener Erfahrung hilfreiche Tipps gibt oder eigene Erlebnisse teilen möchte. Nö! Das ist kein Coaching. Das ist ne 1a-Beratung. Die muss nicht schlecht sein, und in bestimmten Fällen ist das sicherlich sehr hilfreich. Und gleichzeitig ist es eben kein Coaching, denn beim Coaching bleibe ich als Coach neutral und es geht um deine Situation. Deine Lösung! Nur weil ich 100 andere Klienten habe, bei denen GENAU diese eine Lösung PERFEKT gepasst hat, berechtigt mich das noch lange nicht dazu, über deine Situation zu urteilen und dich in diese Schublade zu stecken. Coaching ist schubladenfreie Zone, du darfst dort so sein, wie du bist, und ich akzeptiere alles, was sich für dich gut anfühlt.
All diese Punkte können darauf hindeuten, dass dein Coach eher ein Berater ist. Lebensberatung kann, wie gesagt, auch helfen. Vor allem, wenn du noch keine Vorerfahrungen mit einer Situation hast, zum Beispiel wenn ein Elternteil plötzlich pflegebedürftig ist und du gar nicht weißt, welche Hilfen du beantragen solltest oder was du am besten der Krankenkasse sagst. Wenn es dann aber darum geht, wie du die neue familiäre Situation mit deiner fordernden Erwerbsarbeit unter einen Hut bringen kannst, dann hilft dir keine Beratung der Erde — denn niemand kennt deine genaue Situation mit all ihren versteckten Gründen für oder gegen bestimmte Lösungen. Da ist Coaching gefragt — und ein guter Coach weiß das auch.
Deshalb — sei mutig und lass dich coachen, wenn du ein Thema hast. Es lohnt sich definitiv — und check vorher, bei wem du das Coaching buchst.